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Ein neuer Mensch
oder
globales Denken in simulierten Realitäten

Während im postmodernen Imperium der globalen Medienkultur, die Solidarität der Nähe einer gesichtslosen Subjektivität von Technologien wie dem Internet weicht, besteht die Gefahr, dass der Kunst eine Unmittelbarkeit der Intimität gruppendynamischer Einflüsse entgleitet. Gerade für die Kunst ist es entscheidend, dass ihre Träger auf der Ebene des öffentlich haptischen Agierens und Repräsentation einer Idee direkt akkumuliert. Alle wohlmeinenden Netzräume virtueller Kommunitarien, wie die Verschiebung von Prioritäten und Mäßigung einer Gegenkultur, können eine Direktheit, zu der sich die Kunst meines Erachtens verpflichtet hat, nicht ersetzen. Zudem behaupte ich, dass alle Kunst im Netz konformiert ist. Ähnlich der Sammlung normierter Buchrücken eines Regals, betrachten wir nur die verwaltende Oberfläche des Wissens. Erst nach der Entnahme und dem Öffnen eines Buches, könnten wir zum „Digest“ einer Wahrheit vorstoßen. Eben könnten. Diese Entnahme ist technisch (noch) nicht möglich, kann deshalb nur als Animation angedeutet werden. Wir bezeugen immerhin, mit unserem tastenden Blick die Existenz der Bücher/Kunst in den Regalen, bleiben aber schlussendlich von ihrer „Virulenz“ verschont.
Dabei erweitern sich die Regale der Netzkultur rasant. Ständig entwickelt sie wundersame Strukturen der Anpassung in immer neuen Gewändern und der Zuschauer bezieht ebenso schnell neue Positionen. Für diesen Prozess der Angleichung, prägte Anfang der 90er Jahre der Psychologe Robert Jay Lifton den schönen Begriff von der proteischen Persönlichkeit. Einen Bezug auf die Wandelbarkeit des griechischen Meeresgott Proteus, der verschiedene Gestalten annahm, um Fragen zu entkommen. Unsere Cyberspace-Kultur fordert viel Aufmerksamkeit und Zeit in den Interaktionen mit unterschiedlichsten Menschen. Der vernetzte Mensch als proteische Persönlichkeit, hat es gelernt, ganz unterschiedliche Rollen anzunehmen, um sich den Erwartungen seines Gegen über problemlos anzupassen. Die Rasanz des Wandels, meint Herr L., fordert einen flexiblen Menschen. Abstrakter formuliert von Herrn Jean Baudrillard, „wir existieren nicht mehr länger als Subjekte, sondern eher als Terminal, in dem zahlreiche Netze zusammenlaufen“. Und so sieht der Ökonom Jeremy Rifkin darin sogar „einen neuen menschlichen Archetypus“. Die proteischen Menschen denken weniger darüber nach, wo ihr eigener Platz in der Geschichte sein könnte, sondern vielmehr daran, ihre eigene persönliche Geschichte zu leben. Sie haben keinen höheren Anspruch an ihr Leben, als den, sich die Zeit so angenehm wie möglich zu bewältigen und geben sämtliche Ansprüche auf eine große historische Mission auf. Das Leben ist zu kurz um sich der Geschichte zu opfern. Große utopische Ideale werden abgelehnt. Zudem haben, so meint Herr Lifton, proteische Persönlichkeiten zu vielen Fragen keine eigene Meinung oder ändern diese laufend „Was du gesagt hast, klingt glaubwürdig. Ich würde aber auch das Gegenteil glauben, wenn es nur überzeugend vorgetragen wird“. Ihre Realität findet in der Simulation statt und die empfangenen Botschaften im Netz, fördern die Einstellung, dass das ganze Leben aus einer Reihe theatralischer Momente mit dramatischen Auftritten besteht. Dabei ist der Blick auf die Gesten und Posen der virtuellen Körper gerichtet.

Jean Baudrillard, „wir existieren nicht mehr länger als Subjekte, sondern eher als Terminal, in dem zahlreiche Netze zusammenlaufen“ Im Virtuellen die eigene Geschichte Leben - in Erwartung einer Illusion

Herr L. meint aber auch, dass dieser Blick den Menschen um eine plastischere und reifere Bewusstseinsstufe erweitert. So kann dieser „neue Mensch“ besser mit Vieldeutigkeit und komplexen, einander häufig widerstreitenden Prioritäten leben. Die Kunst muss für ihn nicht real existieren. Häufiger reichen Andeutungen und einfache Signale um zu reagieren. Kunst muss nicht mehr vollendet sein. Im Gegenteil, sie sollte das Geschehen nur dokumentieren, höchstens iterativ kommentieren. Für finale Punktsetzungen als Definition des Kunstwerkes, ist der gereifte Mensch nicht mehr offen, er erwartet vielmehr eine Illusion.

„Die Entfremdung des Zuschauers zugunsten des angeschauten Objekts drückt sich so aus: je mehr er zuschaut,
umso weniger lebt er; je mehr er sich in den herrschenden Bildern des Bedürfnisses wiederzuerkennen akzeptiert,
umso weniger versteht er seine eigene Existenz und seine eigene Begierde.
Die Äußerlichkeit des Spektakels im Verhältnis zum tätigen Menschen erscheint darin,
dass seine eigenen Gesten nicht mehr ihm gehören, sondern einem anderen, der sie ihm vorführt.
Der Zuschauer fühlt sich daher nirgends zu Hause, denn das Spektakel ist überall.“ Guy-Ernest Debord 1978

Während die Rhetorik der Globalität immer aufgeblasener wird, entstehen im virtuellen Raum immer kleinere Inseln unbestimmter tastender Gemeinschaften mit bescheideneren ethischen Maßstäben. So lebt die Idee der Gemeinschaft in einer transzendenten Körperlichkeit fort und es besteht die Hoffnung, kulturelle Ansprüche transnational zu bestimmen. Das „allgemeine Menschsein“ sucht einen Sinn in virtuellen Identitäten bzw. in einer illusorischen Realität der Online-Kultur. Genauso wie Mikroorganismen unweigerlich Kolonien gründen, verräumlicht die biologische Metapher das ganze Problem der Entstehung netzbasierter Bewusstwerdungshorizonte im Zeitalter des Technozentrismus als mögliches Erkenntnis- und Identifikationsmedium. Kultur als virtueller Standard. Räumlich unabhängig und dennoch territorial Identifikation stiftend. „Mittendrin“ im Prozess der Auslotung von Differenz zur Nähe. Oder wie es Herr Emmanuel Levinas betont: „dass Nähe für das Bewusstsein immer eine anachronistische Gegenwart besitzt, also das Bewusstsein ist immer beim Rendezvous mit dem Nächsten“. Der alles überschauende Weitblick, auf der Suche nach dem Selbst, erkundet zeitgleich die beste Position der Nähe zum Nächsten. Finden und sich finden lassen.

Das Bewusstsein ist immer beim Rendezvous mit dem Nächsten Im Virtuellen die eigene Geschichte Leben - in Erwartung einer Illusion

Glaubt man den letzten Diskussionen zur Kennzeichnung von Staatsbürgerschaften im Zeitalter der Globalisierung, sollten sich Grenzen auflösen und der Mensch sich kosmopolitisieren. Oder prosaischer, wie sich Herr Richard Anderson Falk, Völkerrechtler und Jura Professor, in meinen Augen sehr kreativ ausdrückt: „Man sollte sich einen „Bürger-Pilger-Ausweis“ ausstellen lassen können, deren Zugehörigkeit die Loyalität einer unsichtbaren politischen Hoffnungs- und Träumegemeinschaft bezeugt“. Im Netz heute selbstverständlich in der Realität unmoralisch da apolitisch. Als Idee geistreich, in Wahrheit nur Zeugnis wider dem Willen einer demokratischen Regierungsform. Hier kreativ konspirativ im Cyber-Space erwünscht und als suborbitale Künstlergemeinschaft massentauglich, dort, hinterlässt der Gedanke nur ein aporetisches Unbehagen. Denn Träumer stellen keinerlei Kriterien zur Errichtung politischer Institutionen zur Verfügung, oder, wie Herr Carl Schmitt, „ein Klassiker des politischen Denkens“ die unklare Verbindung des Träumers zur Politik beschreibt: „Die Gleichheit aller Menschen als Menschen ist nicht Demokratie, sondern eine bestimmte Art des Liberalismus, nicht Staatsform, sondern individualistische-humanitäre Moral und Weltanschauung. Auf der unklaren Verbindung beider beruht die moderne Massendemokratie“. Ein waberndes Ganzes …

Peter Paul Rubens Ein waberndes Ganzes Fest der Venus Verticordia, - „die die Herzen von Lust zu Keuschheit verändern konnte“ oder einfacher; das Venusfest 1636 – 1637

„Kunst kann sich auf unterschiedliche Weise ereignen. Sie kann sogar im Wiederspruch zu sich selbst geschehen. Sie kann Gefühle auslösen, oder gefühlt werden. Sie kann sich in der Fantasie verlieren oder vollständig in der Realität gefangen bleiben. Sie kann darstellen, sie kann werden. Sie kann sein. Abhängig von der jeweiligen historischen Periode kann die Kunst durch bestimmte Eigenschaften an Wert gewinnen, die zu anderen Zeiten nichts wert sind. Alles in allem sind Kunst und Kontext untrennbar miteinander vereint“
Gehen wir von der Existenz einer globalen Kunstwelt aus, unabhängig ob virtuell als raumfreie Entität oder haptisch materiell erfahrbar, die sich aus diversen Globalisierungsprozessen als diskursiver Raum entwickelt hat, ergeben sich Fragen zur genauen Bestimmung von Globalität. Kunst verstehe ich als „Weltsprache“ und ist als Phänomen zu begreifen, eigene gesellschaftliche Kontexte zu formen und aus dieser Kontextualisierung geformt zu werden. Als Künstler muss ich diesen morphologischen Prozess nicht beschreiben können, um Kunst zu produzieren, dafür gibt es die Wissenschaft, vielmehr bin ich in diesem Wechsel ein „aktivierter“ Produzent, stehe also in Abhängigkeit zur globalen Wahrnehmung um in Position gebracht zu werden oder mich zu positionieren. Wie gesagt; Kunst und Kontext sind untrennbar miteinander verbunden. Und damit muss auch ich mir die Frage nach der Abhängigkeit, ob bewusst oder unbewusst initiiert, meiner künstlerischen Position in Bezug zum globalen Denken stellen, um mich meiner „Unabhängigkeit“ zu vergewissern. Fest steht, dass die künstlerische Position eines Dokumentararchäologen „wissenschaftsneutral“ sein muss, um die unendlichen Möglichkeiten perspektivischer Betrachtung zur Sichtung des Materials erschöpfend zu nutzen. Nebensächliches und Randnotiertes kann wichtig, wenn nicht gar der Schlüssel zur kreativen Positionierung sein. Was ich wie nutze und wo ich meine Informationen erhalte ist entscheidend für die Formulierung einer Idee zum klärenden Gegenfragen. Dabei nutzt mir die „multispektrale“ Globalität des Netzes, Zeit- und Ressourcen zu sparen – der Gefahr bewusst, durch Einsicht in unautorisiertes Material spekulativ zu argumentieren. Es bleibt nur die Sichtung des Originals im Archiv und die Kontaktaufnahme direkt vor Ort als ergiebigster Moment der Arbeitsmethode. Globale Vernetzung in der „stofffreien Spiegelwelt“ kann nur hilfreiche Zuarbeit leisten.
Zudem, gibt es auf dem Weg zur Erfassung der Daten zwei Denkrichtungen. Einerseits die Verortung einer kreativen Idee als empirische Verwertung des Wissens, als freie, bzw. offene Bestimmung einer Position und andererseits die Methodik des Denkens innerhalb definierter Begriffe, wie es der Wissenschaftler in Absprache seiner Fachtermini vollzieht. Albert Einstein, befragt nach seiner Methode der Wissens Aneignung antwortete: „Ich spiele ein vages Spiel“. Spielen, gemeint als schöpferisches Denken, als Moment kreativer Ausrichtung „bestimmte logische Verbindungen nach denen man sucht, ein anders Ziel zu geben“. Ein Erleben, nicht endend im ästhetischen Fanal als manifestiertes Kunstwerk, eher als erstes Stadium des urschöpfenden, „wo neue Einsichten gewonnen werden“. Das zweite Stadium, so meint er dann, ist das eigentlich kompliziertere: „das Systematisieren von Wissen um dieses in Forme(l)n zu binden, damit ich mich den Mitmenschen mitteilen kann“. Dieses Denken wird von vielen Wissenschaftlern als das für die Wissenschaft entscheidende gehalten. Es ist weitgehend frei vom Schöpferischen. Herr Albert Einstein hat, anders als viele Wissenschaftler zumindest den Mut und die Freiheit auszusprechen, dass seine Sehnsucht nach logischem Denken eine emotionale Grundlage hat. Danke.
Das erste, das kreative Stadium, wie Einstein es beschreibt, „ist frei von der Sprache so wie sie geschrieben wird, es vollzieht sich in bestimmten Zeichen und mehr oder minder klaren Bildern“. E. unterscheidet nochmals seine inneren Bilder als „manche sind visueller andere von muskulärer Art“. Was immer Herr E. unter „Bildern muskulärer Art“ versteht, bleibt leider unklar. Wie er aber versucht zu erklären, reicht sein Wortschatz nicht aus um die Vorgänge im schöpferischen Denken zu beschreiben und der Wissenschaftler war selbst unzufrieden mit seiner Antwort. Da Einstein die Frage nach dem ihm eigenen „psychologischen Typus“ mit Visuell und „motorisch beantwortete“, sollte der Terminus „motorisch“ darauf hindeuten, dass seine inneren Bilder sich nicht in einfach klaren Umrissen darstellen, vielmehr sich bewegen, verändern und übergänglich sind. Zudem, so beschreibt er weiter diesen schöpferischen Akt, können diese Bilder „unwillkürlich entstehen und willentlich reproduziert und kombiniert werden“. Hier gibt es wohl einen Verbund im schöpferischen Akt zur Personalie Kunst. Im Moment des pathischen verbunden Seins mit der gegebenen Materie, wo sich die Dinge wie von selbst ergeben. In der griechisch-antiken Vorstellung gibt es den schönen Begriff des „Pneuma“, dieser umschreibt nicht nur den Wind, Hauch oder Atem als Bewegung der Luft, sondern bezieht sich auch auf den Geist der allumfassend, allumgreifen im Umlauf ist. Hier treffen sich viele erkenntnistheoretische Konzepte der Beschreibung, wie Wissen durch *Got*tes Hauch verteilt wird. Im hebräischen gibt es den RUAHS, im chinesischen das QI und im indischen den PRANA bzw. AKASHA. Künstler und manch Wissenschaftler scheinen jedenfalls besonders empfänglich für diese Form der Datenübertragung zu sein.
Friedrich Wilhelm Joseph Ritter von Schelling entwickelte im Rahmen seiner Geschichtsphilosophie den Gedanken an eine Pneumopathologie, einer Lehre vom Verlust des Geistes und den damit verbundenen Verfallserscheinungen. Die Wechselwirkungen der Implantierung des Wissens scheinen jedenfalls in jede Richtung geöffnet zu sein.

„Es besteht kaum Anlass zu glauben, dass das Weltbild der heutigen Naturwissenschaft
unmittelbar die Entwicklung der modernen Kunst beeinflusst habe oder beeinflussen könnte.
Es kann aber angenommen werden, dass die Veränderungen in den Grundlagen
der modernen Naturwissenschaften ein Anzeichen sind für tiefer gehende Veränderungen
in den Fundamenten unseres Daseins, die ihrerseits sicher auch Rückwirkungen in allen
anderen Lebensbereichen hervorrufen. Unter diesem Gesichtspunkt kann es auch
für den Künstler wichtig sein, zu fragen, welche Veränderungen sich in den Jahrzehnten
im Naturbild der Naturwissenschaften vollzogen haben“
Werner Heisenberg

Globalisierung als Blick des Westens auf den Rest der Welt
Wenn westliche Kunstwissenschaftler sich mit den Folgen der Globalisierung auseinandersetzen, so erkennen sie vornehmlich den Wandel der eigenen Kultur. Ein „Kultureller Austausch“ scheint immer (noch) aus der Position eines >Eurozentrismus< zu erfolgen. Ähnlich dem kolonialen Blick inszenierter Bilder eines rückständigen Afrikas oder traditionellen Asiens, entsprachen sie dem Anliegen, Bestätigung des Überlegenen auf ein westliches Publikum zu bewirken. Bis heute entfalten diese künstl(er)ichen Bildwelten ein „überzeugende“ Sicht des „modernen“ gegenüber dem „primitiven“, und bilden, ähnlich wie der Blick des aufgeklärten Bürgers Europas auf das Findelkind Hauser, die Grundlage eines westlichen Diskurses identitätsstiftender Modelle. Die Definitionsmacht des Westens mit seinem globalisierten Blick eines selbsternannten Siegers, entschied über die Motive der Bildproduktion gegenüber dem Rest der Welt denen wir noch heute folgen. Kunstimporte des Westens aus kolonialer Zeit, werden heute noch als schützenswertes Gut der Menschheit bewertet. Politische Unruhen, Armut und Korruption in der dritten Welt, im Wesentlichen durch die Gier der Kolonisatoren verursacht, sind genug Motive sich gegen eine Rückgabe von Kunst zu entscheiden. Andeutungen von Bereitschaft zu Gesprächen gibt es, aber letztendlich spielen diese auf Zeit, in der Hoffnung, Glanzstücke musealer Sammlungen als „Leihgabe“ auf unbestimmte Zeit in „gütige“ Verwahrung zu nehmen um die Erwartungen eines vornehmlich westlichen Publikums, weiter zu befriedigen und bei Laune zu halten.

Zumindest hat es Staatsmännische Gesten, die auf einen Paradigmen Wechsel Postkolonialer Verantwortlichkeit zielen gegeben. Gar nicht so lange her, am 28.November 2017, sprach der Präsident Frankreichs, Emmanuel Macron, im Auditorium der Universität von Ouagadougou vor Studierenden und dem Staatspräsidenten von Burkina Faso, Roch Marc Kabore, versöhnliches. „Ich gehöre einer Generation von Franzosen an“ leitet er seine Bereitschaft zum Dialog ein, „für die die Verbrechen der europäischen Kolonialisierung unbestreitbar und Teil unserer Geschichte sind. Daher weigere ich mich, immer wieder auf dieseleben Darstellungen der Vergangenheit zurückzukommen. Es gab Kämpe, es gab Fehler und Verbrechen, es gab große Dinge und glückliche Geschichte, Aber ich bin überzeugt: Unsre Verantwortung liegt nicht darin, uns an diesen Geschichten festzubeißen und in der Vergangenheit zu verharren, sondern das Abenteuer der heutigen Generation voll und ganz zu leben (…) um mehr auf die wirklichen Bedürfnisse vor Ort zu schauen, und manchmal auch jenseits der Bürokratie eine kritische Kultur des Austausches zu etablieren“. Neue Formen der Zusammenarbeit werden also angesprochen. Veränderungen in der Entwicklungszusammenarbeit und Möglichkeiten der Restitution des künstlerischen Erbes an Afrika. „Das wichtigste Heilmittel ist die Kultur“- spricht er weiter „und in diesem Zusammenhang kann ich nicht mehr länger akzeptieren, dass ein großer Teil des kulturellen Erbes mehrere afrikanischer Länder in Frankreich verwahrt wird (…) Das afrikanische Erbe darf sich nicht länger zu großen Teilen in privaten Sammlungen und europäischen Museen befinden (…) Ich möchte, dass innerhalb der nächsten fünf Jahre die Voraussetzungen für eine vorübergehende oder endgültige Rückgabe des künstlerischen Erbes an Afrika geschaffen werden“. Ausreden sollten nicht mehr zählen. Auch in Afrika gibt es viele neue Museen und eine Menge engagierter Mitarbeiter. Unsere erlernten Reflexe mit dem Erbe kolonialer Besitztümer Treuhänderisch umgehen zu müssen, sollten vor allem selbstkritisch hinterfragt werden. Einwände, der Afrikaner empfindet seine für den rituellen Gebrauch gefertigten Werkzeuge eh nicht als erhaltenswert, bezeugen nur wieder die Ignoranz und das Vorurteil, die Intelligenz dieses Menschen reiche nicht aus, um das eigene Erbe kulturhistorisch fundamentiert und wissenschaftlich betreut einzuordnen. Alltags- und Ritualgegenstände sowie menschliche Gebeine lagern zu Millionen in europäischen Archiven und Sammlungen. Wie sind diese in unserem Besitz gelangt? Auf welcher Ebene sollte eine Rückgabe verhandelt werden? Wenn ja, und wir würden Gerichte mit der Aufarbeitung des Erbgutes verpflichten, müsste erst einmal die juristische Begrifflichkeit geklärt werden. Sind die „überbrachten Erbstücke“ wirklich als Raubgut zu bezeichnen. Juristisch werden die Kolonialwaren noch immer als „in Verwahrung gebrachte unautorisierte Gegenstände“ bezeichnet, bis ihre Herkunft und die Formalien des Überganges in den gegenwärtigen Besitz zweifelsfrei geklärt sind. Die Dokumentararchäologie könnte einen wesentlichen Beitrag zur Begleichung kultureller Differenzen beitragen. Denn zurzeit leiden verantwortliche Institutionen noch viel zu deutlich unter kolonialer Amnesie.

Als Benedicte Savoy, die bis 2017 im wissenschaftlichen Beirat des Berliner Humboldt Forum saß und fachliche Differenzen im Umgang Deutschlands mit seinem afrikanischen Erbe ansprach, trat diese enttäuscht über den verstaubten Standpunkt musealer Verantwortlichkeit aus dem Gremium aus. Hier entgeht nicht nur Deutschland, sondern ganz Europa, gerade in der Phase der Neugestaltung seiner kolonialen Ära, die Chance, die Zukunft des Kulturbesitzes in frischer Neuorientierung zu klären. Eine wirklich bedauerliche Entscheidung. Zumal Frau Savoy darauf hinwies, dass: „die Geschichte der Afrikasammlungen eine gemeinsame europäische Geschichte ist, eine Familienangelegenheit, wenn man so will, in der ästhetischen Neugier, wissenschaftliches Interesse, militärische Expeditionen, Handelsnetze und Gelegenheiten jeglicher Art dazu beigetragen haben, Logik der Herrschaft, der Selbstbestätigung und der nationalen Rivalität zu nähern“. Die deutsche Bundeskanzlerin Frau Angela Merkel meldete sich nicht zu Wort. Auch nicht, als vierzig in der Arbeit für Afrika engagierte Organisationen die Bundeskanzlerin in einem offenen Brief dazu aufforderten, „sich zur historischen Initiative des französischen Präsidenten zu positionieren“.

Ein Jahr nach der Rede Macrons in Ouagadougou, konkretisierte Frankreich unter Federführung von Frau Savoy und des senegalesischen Ökonomen Herrn Felwine Sarr seine Position. Ein zweihundertseitiger Restitutionsreport lässt keinen Zweifel daran, dass ein großer Teil der afrikanischen Sammlungen in den ethnologischen Museen Europas „im Zuge des Kolonialismus gewaltvoll oder durch Übervorteilung von Einheimischen angeeignet wurde“. Der Bericht setzt deutliche Zeichen, dass es Herr Macron ernst meint und Deutschland in Zugzwang. Neben der Aufarbeitung der Kolonialgeschichte verlangt der Bericht nicht weniger, als eine Erinnerungs- und Gedächtnislücke zu schließen, die absolute Bereitschaft zur Rückgabe geraubter Kulturgüter und die Einleitung eines Prozesses der internationalen Zusammenarbeit auf Augenhöhe im Dialog mit afrikanischen Partnerinnen und Partnern. Es besteht also Hoffnung, aus der Falle einer allein eurozentrischen Perspektive herauszukommen.

Herr Hegel meint „Nur wer mich kennt – der wird mich hier erkennen“. Und erkennt Wert-dominierend: „Die Welt der «Neger» ist der Naturzustand. Sie sind unbändig und impulsiv, ihre sinnliche Rohheit kann nur durch despotische Gewalt gebändigt werden“ Berliner Vorlesungen „über die Philosophie der Geschichte“ 1820 In dieser Ideen-Schicht „wird gesagt was sagbar ist, was gesagt werden soll, was nicht gesagt werden darf und von wem es wann in welcher Form gesagt werden darf.“
Den Hegelschen «Negern», fehlen alle Eigenschaften, die sie dazu qualifizieren würden, Subjekte der Geschichtsschreibung zu sein. Sie verzeichnen keinen Fortschritt, verfügen über keine Schrift, keine Verfassung, keinen Staat. Sie sind gefangen im bloßen Glauben an die Zauberei.

Hegels bleibende Leistung besteht darin, die Welt im Ganzen geschichtlich begreifbar zu machen. Aber er hat das Geschichtsdenken mit Implikationen versehen, von denen es sich bis in unsere Tage hinein nur mühsam löst. Als Ahnung dessen, was wahr ist. Sehen als Reflex des Denkens. So hinterlässt Herr H. sehr Nachhaltig (s)eine Spur der Macht in uns allen.

Perspektive der Globalisierung
Multikulturalismus, Postmoderne und kulturelle Globalisierung. In diesen drei Schlüsselwörtern liegen die Bemühungen des Herrn Nicolas Bourriaud, eine Antwort auf die ästhetische Perspektive der Globalisierung zu finden. „Und wie“, fragt er sich „wirkt sich dieses Phänomen auf das Leben der Formen aus?“ Entgegen einer diskursiven Betrachtung der Weltvernetzung aus soziologischer, politischer oder wirtschaftlicher Perspektive, favorisiert er das vagabundierende Reisen, als Ikonografie der Mobilität. Zudem bewertet er Nationen für seine Ankunft als zu Abstrakt. B. liegen Städte und Orte gefühlt näher am Herzen. Er misstraut der Komplexität eines Landes, möchte in die Tiefen gehen. Persönliche Erfahrungen und direkte Beobachtungen vor Ort im Detail sind ihm wichtiger als nationale Befindlichkeiten. Als Nomade in des Künstlers Arbeiten zu wandern, die Empfindung am Werk zu erspüren und unmittelbar den kreativen Prozess zu beobachten, wird zur Basis seiner Texte und seiner Arbeit als Kurator. „Allzu oft“, schreibt er „habe ich das Fehlen einer vitalen Verbindung zwischen Kritiker und Werk vermisst.“ „Ein Bild, eine Idee das ist Rhythmus“ schreibt er in seinem Vorwort zu “Radikant”: „Meine Lektüre von Walter Benjamin und Gerorges Bataille hat mich gelehrt, das die Sprunghafte Darstellung eines Themas, eine fragmentarische und vagabundierende Schreibweise, ihren Gegenstand manchmal besser einzukreisen vermag als so manche lineare Vorgehensweise.“

Herr Bourriaud, geboren 1965, ist 25 als die Mauer in Berlin fällt. Ein entscheidender Schnitt für sein Denken. Entscheidend für das Denken seiner Generation. Auch ich bin Jahrgang 65 und kann mich gut in die Vita seiner zeitlichen Wahrnehmung einfühlen. Beobachtungen, die sich mit der Globalisierung von Werten, Entwertungen von politischen und künstlerischen Visionen oder Strategien der Verwertung von Wissen beschäftigen, sind mir aus der Position des Zeitzeugen im „Zeitalter der Extreme“
Als am 9. November 1989, der Damm brach und alle Schleusen sich öffneten, kamen auch ungerufene Geister. Geister der Abgeschiedenen hielten Einzug, stifteten Verwirrung unter den gesetzten Figuren und forderten eine Wiederaufnahme finaler Diskurse. Nur eines stand in den Wirren der Zeit fest: die Kunst musste ihre Wahrheit nicht mehr teilen, nur die Formen der Vermittlung bündeln und in Position bringen. Somit wurde der 9. auch zum Tag, an dem die Kunst offiziell in eine globalisierte Welt übertrat. Eine wiedervereinte Weltkunst, die keine „Großen Erzählungen“ mehr kennt und ihre Künstler verpflichtet, sich von der Einsamkeit einer Notationen zu verabschieden und die Symbole ihrer Sprache so zu formulieren, dass Inhalte Multikulturell verhandelt werden können. Dennoch gibt es in der Welt der globalisierten Kunst einen Bruch. Eine Kluft, die weniger auf einer kulturellen Differenz beruht, als auf unterschiedlichen Stufen der wirtschaftlichen Entwicklung. Ein neuer Graben trennt die Mitte vom Rand und bestimmt als ökonomischer Wert die kreative Arbeit. Künstler, die aus Peripheren stammen und in ihrem Denken lokal verwurzelt sind, gelingt es nur aus einem wirtschaftlichen Zentrum heraus, Zeichen ihrer lokalen Kultur zu verbreiten. Zuzug als Kommentar eines kulturellen Determinismus. Provokativ können wir sagen, dass eine neue „Zentralgewalt“, die der globalen Wirtschaft, die Standardisierung und Vereinheitlichung kultureller Strukturen bedingt. Und, so bemerkt Herr Bourriaud, „dass der 89er Aufbruch, als Aufbruch eines Multikulturalismus präsentiert, erweist sich dieses Phänomen vor allem als politisch: die zeitgenössische Kunst passt sich zunehmend an die Globalisierungsbewegung an, die die wirtschaftlichen und finanziellen Strukturen standardisiert, während sie die Diversität der Formen zum genauen Spiegelbild dieser Uniformität macht“. „Die Globalisierung ist ökonomisch.“ bemerkt B. weiter „Die Kunst folgt nur ihren Konturen. … Sie ist weit entfernt ein einfacher Spiegel zu sein, in dem sich die Epoche wiedererkennt.“ Kunst, so sieht es Herr B, ist jedoch bestens geeignet die ganze Welt als universales optisches Werkzeug zu sehen. Er will diesen Blick nutzen den Makrokosmos in seiner Vielfalt zu betrachten und in einer drängenden Obsession nie aus dem Auge verlieren. Bourriaud, Kurator und Autor ist Werkzeug und nutzt das Werkzeug um eine „Kunstkritik der Welt“ zu skizzieren, bei der die Werke mit dem Kontext im Dialog stehen, aus dem sie hervorgehen. So ist zu hoffen, im Vertrauen auf die Ausdauer und Klarheit im Blick eines Herrn B, dass dieses „durchdringen“ als hermeneutische Sprache des Anamorphosen zum Bewahrer der Kunst meiner Generation wird.

Mit dem Fall des eiserenen Vorhangs und dem Ende einer Bipolarität, verwerten einige Denker diesen Zusammenbruch mit dem Vermerk, dass hiermit das „Ende der Geschichte“ gekommen sei. Yoshihiro Francis Fukuyama, amerikanischer Politikwissenschaftler und überzeugt davon, dass durch das Ende von Kriegen und Revolutionen es keine Ideale mehr gibt, für die es sich lohnt zu kämpfen. Oder besser formuliert „dass der Mensch keine Ideale mehr hat, für die zu kämpfen er bereit wäre.“ Da sich seiner Ansicht nach eine liberale Demokratie als Regierungssystem gegen Erbmonarchie, Faschismus und Kommunismus durchgesetzt hat, hat die Menschheit wohl „den Endpunkt der ideologischen Evolution“, also das „Ende der Geschichte“ erreicht. Etwas verwirrend die Wahl des Begriffes Geschichte, hier aber nicht als Abfolge von Ereignissen gemeint, vielmehr, so argumentiert F.: „Unter Geschichte verstehe ich einen einzigartigen, kohärenten evolutionären Prozess, der die Erfahrungen aller Menschen aller Zeiten, im Sinne Hegels und Marx umfasst. … Denn weder Hegel noch Marx glaubte daran, dass die Entwicklung der menschlichen Gesellschaften unendlich weitergehen würde.“ Nur, dass das „Ende der Geschichte“ für Hegel der liberale Staat und für Marx der Kommunismus sein würde. In der nun erfolgreich überlegenen liberalen Demokratie werden Kriege nicht mehr benötigt, schreibt F, es werden nur noch metaphorische Kämpfe zwischen Anwälten von Firmen und Nationen geführt, die auf Blockade, Übernahme und Ankäufe spezialisiert sind. Für die Kunstgeschichte bedeutete das, so formuliert es Herr Bourriaud in seinem „Radikant“ weiter, dass die Geschichte nicht mehr der übergeordnete Wert war, der es ermöglichte, die künstlerischen Zeichen zu ordnen und zu hierarchisieren. Bis dahin, hatte sich die Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts als eine Folge formaler Erfindungen dargestellt, eine Abfolge individueller und kollektiver Abenteuer, jedes mit einer neuen Vision der Kunst. Endlich, so frohlockte man, ist das Zeitalter des „Terrors“ der Avantgarde beendet und ein postmodernes Denken konnte triumphieren.

„Wir haben in allem Recht. Und zunächst werden wir diese Zivilisation zerstören, die euch so teuer ist, und an der ihr klebt wie die Fossilien in ihren Gesteinsschichten. Westliche Welt, du bist zum Tode verurteil. Wir sind die Totengräber Europas. Oh möge der Orient, euer Schrecken, unserem Rufe endlich antworten … Und möge die weiße Skyline Amerikas am fernen Horizont in sich zusammenbrechen“
Von Herrn Louis Aragon, im Moment der Gründung des Surrealismus, zu Papier gebrachte Drohung

Drohung des Herrn Aragon "Und möge die weiße Skyline Amerikas am fernen Horizont in sich zusammenbrechen"

Oder doch nur der Beginn einer neuen Geschichte? Aristoteles beschrieb den Geschichtsverlauf als zyklisch. Geschichte konnte nicht linear verlaufen, da jede installierte Regierungsform nach kurzer Zeit ihre Mängel offenbarte und regelmäßig durch eine andere Regierungsform ersetzt wurde. Könnte man das nicht auch von einer Demokratie behaupten? Unter Berufung auf Aristoteles stellt Herr Fukuyama in seinem „Ende der Geschichte“ die Hypothese auf, „dass eine Gesellschaft von letzten Menschen, deren Seele nur noch aus Begierde und Vernunft besteht, einer Gesellschaft animalischer erster Menschen wird weichen müssen, deren einziges Ziel die Anerkennung ist und umgekehrt, in endloser Folge.“ Trotz dem heraufbeschworenen Ende der „Großen Erzählung“, werden wir wohl in einem ständig zu führenden Erbstreit nie zur Ruhe kommen. Und der Kunst kommt wieder einmal die Rolle zu „das Ewige aus dem Vergänglichen zu ziehen“, wie es einst so stimmig Charles Baudelaire beschrieb.
Überhaupt beschreibt das Festhalten im Vergänglichen, sehr gut die Situation zeitgenössischer Kunst. Da die Lebensdauer von Objekten sich als immer kürzer erweist und sich ihr Umlauf im Handel durch geplante Obsoleszenz beschleunigt, erscheint das gesellschaftliche Leben im Schatten dieser Verfallskultur selbst fragiler. Man trennt sich leichter und zwischenmenschliche Bindungen werden schneller brüchig. Verträge die den Arbeitsmarkt regeln, werden kaum noch als Festanstellung formuliert, womit sich die Vorstellung von Dauerhaftigkeit und das damit verbundene Vertrauen in die Zusammenarbeit zum gegenseitigen Nutzen weiter voneinander entfernen. Ein Werteverfall, dem sich die Kunst noch gut entziehen kann. Im Gegenteil, KUNST wurde zum Wirtschaftsfaktor und verspricht als kumulative Wertanlage Stabilität. Im Windschatten des Konsums, beeinflusst dieser somit auch die Formensprache der Kunst und ihre Nachhaltigkeit der Produktion. Offiziell ist die Prekarität ein Feind der Kultur. Sie definiert sich jedoch über den jeweils aktuellen „Wechselkurs“ im Verhältnis zur Konsumwelt. Und so sieht es zurzeit gut für die Aktie KUNST aus. Beachtet der Künstler Feinheiten in der Absprache zwischen Potentat bzw. potenziellen Käufer und seiner Kunst, muss er sich weniger um Inhalte kümmern, als um Format, Farbgebung und Material. Die geplante Obsoleszenz in der Welt des Konsums, steht dadurch diametral zur Stabilität von KUNST. Umso schneller der geplante Verfall eine ständige Nachlieferung generiert, wird von der KUNST eine höhere Festigkeit erwartet. Wichtig dabei: KUNST darf nicht billig, muss aber schön sein. Eine Aussage, die nicht einmal moralisch verwerflich ist, denn glauben wir Herrn Oscar Wild: „ist die Moral immer die Zuflucht der Leute, welche die Schönheit nicht begreifen“.
Wenn wir über das Ende der Kunst sprechen, meinen wir möglicherweise die Glaubwürdigkeit von KUNST. In Hegels Vorlesungen zur „Ästhetik“, geht es schon früh um die Kunst als „höchste Bestimmung in der Durchsetzung einer allgemeinen Wahrheit“. Kunst muss Verantwortung tragen, bestimmt H. doch mehr und mehr stellt er fest, dass Kunst weder Norm, noch Maßstab, noch Symbol des Sittlichen oder Absoluten versinnbildlicht.

„man kann wohl hoffen, dass die Kunst immer mehr steigen und sich vollenden werde,
aber ihre Form hat aufgehört, das höchste Bedürfnis des Geistes zu sein.
Es hilft nichts, unsere Knie beugen wir doch nicht mehr“

Kunst darf auch hässlich sein, bedenkt H.

„Meine Philosophie: alle fünf Jahre die Natur aus dem Gebiet der Kunst zu verjagen, Liebe und Aufrichtigkeit in der Kunst auszumerzen, aber keinesfalls die lebendige Quelle des Menschen, den Krieg, zum Schweigen zu bringen“ schreibt Herr Kasimir Sewerinowitsch Malewitsch, hundert Jahre nach dem Herr Hegel den Kniefall vor der Kunst entschwinden sah. Voller Wut und Weltenschmerz bereiten sich die kreativen Gemüter vor, die bald darauf folgenden Massaker der Tscheka hinzunehmen. In ihren Manifesten, geistig aufgerüstet mit „Bajonetten, Browning und der Bombe“, zerstückelten sie unterschiedslos ihre Zielscheiben. „Kommt, rettet uns vor diesen Larven“ schrieb Antoine Marie Joseph Paul Artaud und meinte damit die „Eseleien kritzelnden und politisierenden Juden“. Daraus spricht eine Faszination für das urtümliche Wüten der „rein“ gebliebenen Völker des Ostens. „Alt bist du? So stirb!” schrieb Wladimir Wladimirowitsch Majakowski in seinem Gedicht „150 Millionen“…

Alt bist du? So stirb!
Die Schädel formen wir zu Aschenbechern
Wenn das Alte hinweggefegt sein wird
durch eine wilde Verwüstung
dann werden wir die Welt zum Klingen bringen
durch einen neuen Mythos

Die Schädel formen wir zu Aschenbecher
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Jörg Herold